Kunstraum Sellemond

Kunst | Musik

look look

„look look“, lautet der Titel eines der großformatigen Tableaus von Chris Rosa (geb. 1982) mit den für seine Arbeit typischen Schlangenlinien, fragmentarisch bunten Einsprengseln, einer Leichtigkeit, die an Belanglosigkeit grenzt, und zahlreichen Referenzen an historische Künstlerfiguren, die zwar vage sind, sich aber dennoch unmittelbar erschließen: Assoziationen an die Naivität und authentische Einfachheit eines Joan Miró,  Jean-Michel Basquiat und die Bild-Text-Kritzeleien von Cy Twombly, die es – inspiriert von den Graffiti auf der Straße – in die hochkulturellen Tempel der Welt schafften, bleiben beim Betrachten der eklektizistischen Bildereignisse von Rosa nicht aus.

Rosa Look look, 2012

Sie alleine sind jedoch keine hinreichende Erklärung für die internationale Erfolgsgeschichte des in Rio de Janeiro geborenen Künstlers, die, wie könnte es anders sein, im sonnigen Arkadien der USA – in Kalifornien – ihren Anfang nahm. Tatsächlich „stunning“, wie die Amerikaner sagen würden, ist sie auch mit Theorien von Spekulationsblasen und Kunsthypes nur zum Teil logisch nachvollziehbar. Chris Rosa, der in Österreich aufwuchs und studierte und heute in Los Angeles lebt, hat in den letzten ein bis zwei Jahren eine fulminante Karriere gemacht.

Rosa o.T. 2014

Seine schnell hingeworfenen Bilder vereinen Mühelosigkeit in der Herangehensweise, eine souveräne Künstlerpersönlichkeit und unterschiedliche visuelle Formensprachen, deren Herkunft man unter anderem in den Werken erkennen kann, die in der Ausstellung „look look …“ im Kunstraum Sellemond versammelt sind. Sie nehmen perfekt die Linienfigurationen und Farben der Arbeiten des Südtirolers Siggi Hofer (geb. 1970) und des tschechischen Malerfürsten Zdeněk Sýkora (1920-2011), „Phase 31“, auf. Hofers mit Ölkreide gemalte ornamental-poppige Endlosschleife mit dem Titel einer Jahreszahl, „1993“, überzeugt als geometrisches Musterbild und konstruiertes Gegenstück zu Sýkoras farbigen Liniengespinsten, die er ab den 1970er-Jahren mithilfe von Algorithmen anfertigte. Damit machte er ein mathematisches Prinzip zum Ausgangspunkt seiner klassisch analogen Malerei. Zusammen mit einem Physiker entwickelte er ein Zufallsverfahren, mit dem er die Möglichkeiten der konkret-konstruktivistischen Kunst erweiterte und intensive Bildereignisse schuf, die in ihrer Ausdruckskraft vergleichbar mit den gestisch-expressiven Kunstwerken des prominenten amerikanischen Künstlers Raymond Pettibon (geb. 1957) sind. Pettibons manische Text-Bild-Arbeiten, die den kalifornischen Lifestyle, die amerikanische Cartoon-Ästhetik und Eindrücke der Alltagskultur in einer Art zeichnerischem Stream of Consciousness aufs Papier bringen, finden einen Höhepunkt im Motiv der Welle: Die Suche des Surfers nach der perfekten Welle als Analogon zur künstlerischen Expression und symbolische Verdichtung einer natürlichen Kraft, die sich in einem Moment entlädt. Sie bildet ein Korrelat zu den exegetischen Landschaftsbildern von anderen in der Ausstellung vertretenen Künstlern wie Alex Ruthner (geb. 1982), Markus Bacher (geb. 1983) und Herbert Brandl (geb. 1959). Die atmosphärischen Arbeiten von Brandl, der mit seinen Großformaten in den 1980er-Jahren als einer der wichtigsten Mitspieler der österreichischen Neuen Wilden internationale Bedeutung erlangte, ist ein Beispiel für die Revitalisierung eines Mediums in  einer Zeit, die von der konzeptuellen Kunst geprägt war. Wahrscheinlich gelingt die zeitgenössische Malerei am besten, wenn sie sich im Bewusstsein der ästhetischen Ausdrucksmittel der Vergangenheit, von der historischen Last befreit. Vielleicht entsteht gerade dann, wie der neugierig klingende Titel der Ausstellung „look look …“ nahe legt, eine visuelle Schwerelosigkeit, die auch Natalia Załuska (geb. 1984), die jüngste Künstlerin der Schau polnischer Abstammung, erreicht. In ihren malerischen Collagen, die sich vor allem in Schwarzweiss manifestieren und nur selten dezente farbige Einschlüsse aufweisen, vermeidet sie jegliche Bedeutungsaufladung und inhaltliche Determination. So kann die materielle Beschaffenheit, die schichtenförmige Machart und der Aufbau der Werke in mehreren Kartonlagen, die sie vorher mit einer heftigen Geste zurecht reißt, voll zur Geltung kommen. Natalia Załuskas minimalistische Ästhetik, die dem Motto „Reduce to the Maximum“ folgt, ist gleichzeitig sanft und brutal, bescheiden und direkt.

2015-05-22 17.58.34Zaluska

Text: Angela Stief