Kunstraum Sellemond

Kunst | Musik

Two²


Viribus unitus

Eine Redecollage

Stefan (an Michael): Warum zeigst du Franz West und Raymond Pettibon zusammen? Wo sind da die Überschneidungen für dich etc.?

Michael: Eine wichtige Überschneidung ist die Collagetechnik einerseits, speziell die frühen Arbeiten von West – bei Pettibon die neueren Arbeiten, andererseits auch das Sujet Zeichnung, das bei West im Frühwerk eine große Rolle spielte, Beispiele aus dem Ausstellungsmaterial sind die kollorite Zeichnung „Tänzerin“, die surreale Zeichnung auf Briefkuvert und die Zeichnung mit Kugelschreiber auf Papier „The splendid world of FW..“. Weiters machen beide Künstler oft „Wandgestaltungen“ , indem sie eine Reihe von eigenen Arbeiten wild und bunt zusammenstellen und so praktisch „ein“ Werk schaffen. Bei West geht es ja so weit, dass er diese Zusammenschau dann betitelt. Nicht unähnlich bei Pettibon, wenn er eine Wand zuerst voll hängt, dann auf die Leiter steigt und irgendwas hinkritzelt, wie zuletzt bei CFA, wo jede Wand einen solchen Schriftzug aufwies ähnlich einem Titel. Dann sind es zwei Künstler, die sich kennen, gegenseitig schätzen und auch sammeln.. in West‘ Zusammenschauen mit eigenen und fremden Arbeiten tauchen immer wieder Zeichnungen von Pettibon auf. So möchte ich die Ausstellung betiteln: Two² Raymond Pettibon | Franz West Zeichnungen & Collagen. Two² ist auch ein 45’min Stück von John Cage für zwei präparierte Piano, das hab ich mir zu eigen gemacht. Damit traktieren wir die Vernissage – Gäste.

Stefan (an Raymond): Are your words of the same importance to you as your pictures, your paintings?

Raymond: I wouldn´t pit one, pitch one against the other. One is as necessary as the other. Otherwise, I would make … whatever, painting, abstract, landscape, portraiture, whatever, or write, you know. Even in the other … even if I do … well, there´s something, like music … I do lyrics and music, I do films, I do screenplay, so I am kind of, like, trapped there …

Stefan: But the lyrics of your music is your own words? Is it your own words or is it also some kind of sampling?

Raymond: No, it´s my own words. It´s always my own words, since I write it down, whether I borrow it from someone else … It´s min. There is no such thing as completely original. If you want to be that reductive you can go to any … anyway, if you want to speak in purely visual terms, there´s this whole history of painting that is, kind of trying to get this … pure, without any intellectual, like white noise or whatever. It´s impossible. There is a whole history with all this baggage of completely white paintings, black paintings … In music, John Cage, you know, when he does a piece that is completely silent it has a cultural context, it has an intellectual context, it has all those things. And those are things to play around with. But to think that you can achieve something like that and then it becomes this hammer that you can use to say … almost like, you know, like copyright violations or something. I mean, we are all born humans, we all have histories …

Stefan (an Franz): Haben Sie eine Lieblingsfarbe?

Franz: Gehabt – und zwar so ein gräuliches Rosa. Rosa mit Grau. Rosa, das etwas in Orange übergeht. Ich habe diese Farbe jahrelang auch verwendet, sowie leuchtrot, aber sehr abgedämpft.

Stefan: Wie setzten Sie Farbe in Ihrem Schaffen ein?

Franz: Aus Verlegenheit. Ich versuche meine „Feigheit“ in der Materialverwendung, wie rohes Eisen usw., zu überwinden und setze Farbe ein. Und dann entstehende nächsten Probleme, die ich versuche zu neutralisieren, und dann bleibt eben irgendwas über. Aber im Gegensatz zu Brandl, der regelrechte Farbräusche manifestieren kann, trifft das nicht zu. Aber ich verwende die Farbe um Materialsignifikanz zu umgehen, die in Österreich schon zu einem „Fetischismus“ ausgeartet ist, das hat schon bei Loos angefangen, dieser Materialfetischismus, der dann völlig akademisiert wurde … da muss man ja dann zur Farbe greifen.

Michael (an Stefan): Da gibt es schon noch weiteres zu sagen. Beide, West und Pettibon verstehen Kunst eher interaktiv und unterscheiden sich vom klassischen Kunstbegriff, der das Kunstwerk als autonom versteht (hm, wenn man das so sagen kann..). Bei West sind es die Passtücke (physische Interaktion) und legitime Skulptur und Titel (assoziativ-kognitive Interaktion).. Bei den Collagen ist dieser Gedanke vielleicht nicht so evident, aber doch vorhanden indem er seltsam anmutende Titel verwendet. Beispiele aus Ausstellungsmaterial: Collage „Es ist tot..“, „The splendid world of..“.
Bei Pettibon ist die Interaktion ausschließlich assoziativer Natur und die Zeichnungen durch die Beschriftungen „quasi-narrativ“. Der Betrachter wird beim Betrachten der Bildwände in einen assoziativen Sog gezogen. Indem er die Wände selbst auch bemalt und bekritzelt wird der Eindruck noch verstärkt.
Für beide gilt also, dass Sprache ein integrativer Bestandteil der Kunst ist. Bei West geht es eher in Richtung Psychologie und Philosophie, z.B Wittgenstein-Bezüge, Freud-Bezüge, Neurose, etc.,
Bei Pettibon gibt es literarische Bezüge, wie z.B Henri James, das hat er selbst mal im Interview gesagt, abgedruckt im Phaidon .. aber vornehmlich alltagskulturelle Bezüge..

Stefan (an Franz): Welche Rolle spielt Literatur in Ihrer Arbeit?

Franz: Literatur spielt an sich weniger eine Rolle, als evt. der Karl Kraus, der den Begriff der „demolierten Literatur“ prägte. Aber eher noch in der philosophischen und psychologischen Literatur, wobei ich nur mäßige Kenntnisse auf diesen Gebieten besitze. Hierzu kommt noch, dass ich einen Augenfehler habe, und ich mir sehr schwer tu’, beim lesen. Ich zwinge mich zum Lesen, denn ich halte es für eine moralische Pflicht zu lesen, und so lese ich mindestens eine halbe Stunde täglich. So lese ich halt kreuz und quer durch die Literatur der jeweiligen Wissenschaftsstars der Franzosen bspw., denen es ja völlig gelungen ist, die Kunst auszulöschen, denn in Frankreich gibt es keine Kunst mehr, seit die Strukturalisten und Neostrukturalisten das Sagen haben. Aber ich lese diese Sachen nur undeutlich und stellenweise und dann kenn’ ich mich wieder nicht aus, und … Also, wenn es geht, dann lese ich zwei Stunden am Tag, dann ist es schon ein sehr „frommer“ Tag. Ich betrachte dies schon fast als eine religiöse Verrichtung, die Leserei, nur bin ich kein sehr frommer Mensch.

 

Pettibon_Zeichnung Collagen_2002-2009

Pettibon_Zeichnungen Tusche auf Papier_1980er

West_Collage 1970er

West_Dokustuhl_Lampe_Collage 2

West_Dokustuhl_Lampe_Collage

West_Kodustuhl_Floor lamp_Pettibon Edition

westpettibon