Kunstraum Sellemond

Kunst | Musik

Materialität als Signifikant


Der Titel der Schau „Materialität als Signifikant“, der bewusst die Sperrigkeit eines Georg Herold verströmt, lenkt die Aufmerksamkeit auf die ästhetischen Verwertungsmöglichkeiten gegenwärtig verfügbarer Materialien und die Bedeutungen/Bedeutungslosigkeiten, die sie innerhalb von künstlerischen Arbeitsprozessen einnehmen. Materialien als Zeichenkörper innerhalb einer Ordnung des Symbolischen, Signifikanten als Module in einer potenziell unendlichen Verkettung von Variablen. Textur statt Sinnzuweisung, haptische Qualität statt visuelle Einrichtung durch die organisierende Kraft des Blickes. Alle Arbeiten der Ausstellung, die innerhalb der letzten 25 Jahre entstanden sind und von einer mittleren bis älteren Künstlergeneration aus Österreich und Deutschland stammen, sympathisieren mit einer abstrakten Kunsttradition und richten sich zynisch gegen narrative, figurative und symbolische Formen der Bedeutungszuschreibung. Als dauerrebellische Verweigerer von künstlerischen Paradigmen, Prankster und Originalitätszertrümmerer können die teilnehmenden Künstler wie Martin Kippenberger, Franz West und Georg Herold fast durchgängig beschrieben werden. Sie rütteln an den Festen eines prästabilierten Kunstsystems und eines auktorialen Schöpfungsmythos und unterminieren den Geniekult der Meisterkünstler durch subversive Aktionen und detournierende Gesten. Marcus Geiger ironisiert beispielsweise kunsthistorische Strömungen wie den Amerikanischen Expressionismus, indem seine Arbeiten ohne Titel zunächst auf den Farben- und Formenkanon der Colour Field Painter verweisen; bei genauer Betrachtung brechen sie allerdings mit der Gattungsspezifizität der Malerei und der Betonung des flachen Bildträgers, weil sie aus Frottée bestehen. Das Material wird zum Bedeutungsträger und überwölbt das Signifikat eines längst historisch gewordenen Bildgehaltes.Auch die Skulptur „Broken Arm, The U.o.P. # 12“ von Peter Sandbichler, die sich aus zahlreichen Schneesschaufeln zusammensetzt und direkte Anleihen bei Marcel Duchamps erstem Ready Made „En prévision du bras cassé /In advance of the broken arm“ von 1915 nimmt, wehrt sich mittels der akkumulativen Anordnung von gleichen Alltagsgegenständen gegen die Bedeutungsaufladungen, die im Zusammenhang mit Duchamp regelmäßig stattfinden. Und Heimo Zobernig engagiert sich für eine „nüchterne, transzendenzlose Sicht auf die Welt“, die wie Martin Gostner in seinen Wattearbeiten auf das „historisch Unpräzise der offiziellen Geschichtsschreibung wie auch der persönlichen Erinnerung“ verweist. Die neue Konfiguration von Traditionen a posteriori und die Überschreibung von Referenzsystemen in ästhetischen Palimpsesten führt in der Mehrheit der gezeigten Positionen zu einem im Hier und Jetzt verankerten Hermetismus, der in Abstraktionsschritten Bedeutungsklischees unterwandert, selbstreferentielle Anspielungen auf Geschichte und Gegenwart der Kunst generiert und versucht, die Ahistorizität des bloßen Materials und die Dinghaftigkeit des Kunstwerkes an sich zu extrapolieren.

Büro Weltausstellung

Mai 2013


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